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Aufziehen neuer Saiten

Fionn:

Saiten sind - leider - Verbrauchsmaterial. Glücklicherweise muß man sie nicht so häufig ersetzen, wie es manche Gitarristen mit ihren Gitarrensaiten tun, nämlich einmal im Monat. (Aber Gitarren haben ja auch maximal 12 Saiten ...) Trotzdem kommt es ab und zu vor, daß eine Saite reißt. Im Harfnerlatein heißt das dann: "Inanna hat schon wieder die hohe B-Saite geschmissen!" (Wie bei mir im August 2005, drei Stunden vor der Trauung, auf der ich gespielt habe )

Was nun?

Als Erstes mußt Du natürlich die Reste der gebrochenen Saite entfernen. Ab damit in den Restmüll. Es hat keinen Zweck, sie als "Ersatz" für höhere (und damit kürzere) Saiten verwenden zu wollen. Danach kannst Du gleich mal den jetzt zugänglichen Bereich auf der Saitenleiste sowie Klappe und Stegstift putzen.

Dann heißt es festzustellen, welche Saite da gerissen ist. Klar: alle roten Saiten sind ein C, alle blauen (oder grünen) ein F. Gezählt wird von unten nach oben, längste Saiten zuerst: G1, A2, H3, C4 ..... Schach matt! Je nach Modell. In meinem Fall war's die H24-Saite.

Jetzt ein Griff in den Kasten mit den Ersatzsaiten, und die richtige herausgeholt. Vermerk Dir gleich, daß Du die Saite nachbestellen mußt, und tu es auch bald! Bei den höheren Saiten muß das nicht immer sofort sein, da die gelieferte Länge oft für drei oder vier Ersätze ausreicht.

Bei den Saiten, die in Überlänge geliefert werden, schneide ein entsprechendes Stück ab; Vorbild kann die gebrochene Saite sein, oder Du nimmst sichtbare Schwingungslänge + 2 Handbreit.

Wie schneidest Du Saiten?
- Kunststoff-, Darm- und Karbonsaiten: einfach mit Schere oder Messer
- mit Metall umsponnene Metallsaiten: mit der Kneifzange
- Metallsaiten wie z.B. Phosphorbronce: mit der Kneifzange
- mit Kunststoff umsponnene Kunststoffsaiten: GARNICHT!! Sie längst Du ab, indem Du sie mit einer Flamme durchsengst; sie ribbeln sonst auf und sind unbrauchbar. Du erkennst sie in der Packung schon am angesengten Ende.

Wenn die Saite kein erkennbares, durch einen Ring abgeschlossendes Ende hat, mach einen Knoten, um ein Durchrutschen zu vermeiden. Einen schlichten, einfachen Doppelknoten. Ziehe ihn gut fest; am Ende sollten noch ein paar Zentimeter übrig bleiben, für den Fall, daß der Knoten noch ein wenig "nachzieht". Du kannst den Knoten auch um einen kleinen Holzdübel ziehen; Streichhölzer sind eher nicht geeignet. Hauptsache, der Knoten rutscht nicht und ist deutlich dicker als das Saitenloch in der Klangdecke.

Jetzt fädelst Du die Saite von unten durch das leere Loch in der Klangdecke; dazu mußt Du von hinten in den Korpus greifen. Nur dazu gibt es übrigens die großen Löcher im Korpus! Manche Harfen sind allerdings anders gebaut; die Löcher in der Saitenleiste sind so groß, daß Saite samt Knoten durchpasst und anschließend im anhängenden Schlitz eingezwängt wird; ein Holzpropf verschließt dann das Loch. (Spannend wird es, wenn bei solchen Harfen der Saitenrest in den unzugänglichen Korpus gerutscht ist). Wie auch immer, schließlich ragt die Saite oben aus der Klangdecke hervor und rutscht nicht durch.

Spanne die Saite schon mal vor; das zieht den Knoten endgültig fest. Ich versuche dazu immer, die gesamte Harfe an der neuen Saite hochzuheben. (Keine Bange: Eine Harfe wiegt vielleicht 15 kg, der Zug einer Saite kann schon mal das äquivalent von 30 kg erreichen!)

Nimm den Stimmschlüssel zur Hand, drehe den Wirbel so, daß die Bohrung senkrecht steht und fädele die Saite hindurch. Ziehe sie so straff an, daß zwischen ihr und den übrigen Saiten noch etwa drei Finger Platz haben.

Beginne jetzt, mit dem Stimmschlüssel den Wirbel zu drehen und mit ihm die Saite aufzuwickeln. Bitte die gleiche Drehrichtung benutzen wie bei den anderen Saiten!

Vergiß nicht, die Saite rechtzeitig über den Stegstift und um die Klappe herum zu legen!

Drehe unter fortwährendem Zupfen die Saite zügig "hoch", bis ein klarer Ton entsteht. Jetzt kannst Du abwechselnd die Saite dehnen ( einfach kräftig aus der normalen Lage drücken ) und wieder nachziehen; so erreicht die Saite schneller die gewünschte Spannung. Du erreichst so in einigen Minuten zügig, aber ohne Hast und Gewalt den richtigen Ton. Keine Angst, die Saite "knackt" nicht gleich wieder! Sie ist ja für diese Aufgabe gefertigt worden. Auch der Korpus hält das Stimmen locker aus.

Für die ersten paar Stunden rechne damit, daß Du die Saite alle paar Minuten bis Viertelstunden nachstimmen mußt. Sie braucht etwa zwei Wochen, bis sie die Stimmung "hält". Als Anhaltspunkt mag meine Inanna dienen: Drei Tage nach dem Saitenriß ist die Ersatzsaite innerhalb eines Tages noch um einen Halbton "abgesackt".

Wenn Du die Saite zu großzügig abgschnitten hast oder die vorgefertigte Saite zu lang ist, kürze den aus dem Wirbel herausstehenden Rest auf einige wenige Zentimeter. Dabei gilt wie oben: Schneiden oder flämmen. Zu lange Reste können ins Auge gehen und sehen außerdem unschön aus. Achtung: wirklich den Rest und nicht die Saite schneiden, sonst geht's oben von vorne los ;-)

Das Ganze klingt erst mal kompliziert; wenn Du das allerdings erst einmal ein paar Mal durchgeführt hast, geht es leicht von der Hand.