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Musiktheorie - Dynamik

Fionn:

Die Aussage ist erst mal trivial: Musik kann unterschiedlich laut gespielt werden. Heute genügt "Stecker 'rein und alle Knöpfe auf 10", um die Wohnung mit laut(est)er Musik zu füllen. Wenn frau aber händisch Musik macht, braucht es da schon andere Technik.

Aber wozu überhaupt? Und seit wann?

Das "wozu" ist schnell erklärt: neben Melodik, Harmonik und Metrik ist die Dynamik ein weiteres Mittel, Musik zu gestalten und Empfindungen hervorzurufen. Dazu ein einfaches Experiment:
Stell Dich vor Deinen Freund (dessen Einverständnis Du freundlicherweise eingeholt hast) und sage ihm "Ich liebe Dich!" in verschiedenen Lautstärken: von ganz leise über leise, mittellaut, laut, ganz laut bis hin zum lautesten, das Du zustande bringst. Der Text bleibt derselbe, aber die Bedeutung kommt bei ihm vermutlich unterschiedlich über ... Mensch verknüpft halt "Schreien" mit "Gefahr" und "Aggression" sowie "Flüstern" mit "Vertrautheit".

Auf das Gegenexperiment mit geflüsterten Beleidigungen verzichten wir hier lieber :-)

Durch die Wahl der passenden Lautstärke kann ich also meiner Musik zusätzlichen Ausdruck verleihen. Spiele ich solo, bin ich in der Wahl der Dynamik sehr frei, im Zusammenspiel mit einer Warpipe hingegen klingt auch mein lautestes "Forte" im Kontext eher wie mittellaut.

In Notentexten sind explizite Angaben zur Dynamik übrigens noch gar nicht sooooo alt - im "Rostocker Liederbuch", dessen Handschrift um 1480 herum entstand, fehlen sie zum Beispiel völlig. Bei Instrumenten wie dem Cembalo erübrigt sich eine Dynamikangabe, weil der Spieler kaum Einfluss auf die Lautstärke des erzeugten Tones hat - das ändert sich bei Tasteninstrumenten erst mit dem Hammerklavier, dem "Piano-Forte".


Mit welcher Technik kann ich auf der Harfe unterschiedliche Dynamik spielen?
Mit recht simpler Technik: ich zupfe einfach mehr oder weniger stark an den Saiten. Sanft angezupfte (und dadurch nur wenig ausgelenkte) Saiten geben leise Töne von sich, heftig ausgelenkte Saiten schwingen heftig hin und her und erzeugen laute Töne. Das "Problem" an der Sache ist, die Kraft der Finger dosieren zu können, denn die Finger haben schon genug damit zu tun, die richtige Saite (Tonhöhe) in der richtigen Reihenfolge (Melodik) zum richtigen Moment (Rhythmik) zu erwischen.
Außerdem neigt Mensch dazu, schnelle Musik lauter spielen zu wollen als getragene Melodien. Versuche einfach mal, das "Gut' Abend, gut' Nacht" von Brahms LAUT zu spielen - was will irgendwie nicht ... Also hilft mal wieder nur eines: üben, üben, üben!
Hier noch ein Hörbeispiel zur Dynamik: Der Anfang von "Mrs. McDermott" in verschiedenen Lautstärken gespielt:

Bezeichnungen
Wie fast alles, sind auch die in der Notenschrift üblichen Bezeichnungen für die Dynamik dem Italienischen entlehnt: von leise (piano) und laut (forte) gibt es etliche Abstufungen, hier in der Reihenfolge "fast unhörbar" zu "ohrenbetäubend":
ppp - piano pianissimo - fast unhörbar
pp - pianissimo - sehr leise
p - piano - leise
mp - mezzo piano - etwas lauter als leise
mf - mezzo forte - etwas laut
f - forte - laut
ff - fortissimo - lauter
fff - forte fortissimo - SEHR LAUT

Im Schriftbild der Partitur sieht das dann so aus:

Von all den Bezeichnungen werden wir auf den kleinen Harfen vermutlich nie unter "pp" und über "f" kommen. Und was für den einen ein forte ist, ist für die andere ja vielleicht schon Krach ...

Crescendo - deminduendo
Oft gilt es, einen sanften Übergang von leise zu laut (oder umgekehrt) hinzukriegen. Wenn Du nach Gehör lernst, ist die Sache recht einfach, da Du ja weisst, ab wo Du mit dem lauter werden anfangen musst und wo die maximale Lautstärke erreicht sein soll; entsprechend gibst Du mehr und mehr Kraft in die zupfenden Finger.
Im Notenbild gibt es dafür zwei Möglichkeiten: zum einen kann das lauter werden durch eine lange, nach rechts öffnende, spitze Klammer angezeigt werden, zum anderen durch den eingefügten Text "cresc" als Abkürzung für "crescendo". Beide Möglichkeiten und die leiser werdenden Gegenstücke sind hier vereint:


Wie auch immer Du Crescendi und Deminuendi lernst und in die Finger bekommst, letztlich sollte in etwa so etwas herauskommen: als Beispiel hier der Übergang zwischen den beiden Hauptteilen in meiner Version des Clannad-Stücks "Lá coimhthioch fan dtuath"


Auswirkung auf Klangfarben
Wer sich fragt, ob das laute oder leise Spiel Auswirkung auf die erzeugten Klangfarben hat, dem kann ich, ganz in Manier des leider schon gestorbenen Harfenbaumeisters Frank Sievert antworten:
Klar hat es Auswirkungen, aber welche, ist nicht abzusehen.
Probier' es einfach selber aus und höre Dir dabei zu. Vermutlich wirst Du feststellen, dass mit zunehmender Lautstärke der Klang "härter" wird, weil mehr Obertöne erzeugt werden. Vermutlich ...

So, und damit genug zum Thema "Dynamik"; weiter geht es mit Melodik